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Am Saaleknick - Teil 3

Feuer Feuer

Die Nienburger sollten mitbekommen, dass ein Unglück nur selten allein kommt. „Feuer, Feuer“ rief seine Großmutter am Bett von Hans und weckte ihn damit auf. Da hörte er auch schon die Sirene, die zum wiederholten Male durch die Nacht hallte. Als man auf die Straße trat, hatte man sofort den Brandgeruch in der Nase, der durch den Ort Nienburg zog. Nur wenige Häuser von Hans Elternhaus entfernt, an den Vier Ecken stand ein Bauernhaus in vollen Flammen. Als erstes war es die Nienburger Feuerwehr die versuchte, die Tiere, welche sich im Stall des Bauernhauses befanden, zu retten. Nach und nach trafen auch noch andere Feuerwehren des Kreises am brennenden Haus ein. Eile war geboten, um das Haus und die Tiere darin zu retten. Da sich sehr viele Schaulustige dort versammelten, musste der Ortspolizist eingreifen, um die Rettungsarbeiten nicht zu gefährden. Als erstes brachte man ein Pferd und eine Kuh aus dem brennenden Haus. Da die Feuerwehrleute dies unter Lebensgefahr machten, bekamen sie von den Nienburger Schaulustigen viel Beifall. Die anderen Feuerwehren aus dem Kreisgebiet hatten die Aufgabe, die angrenzenden Häuser vor dem Übergreifen des Feuers zu schützen. Immer wieder mussten sie einschreiten da es durch Funkenregen an diesen Nachbarhäusern zu brennen anfing. Erst nach drei Stunden war dieses Großfeuer unter Kontrolle. Man hatte alle Tiere bis auf ein paar Tauben gerettet. Diese Tiere flogen, obwohl ihr Taubenhaus in Flammen stand, in dieses hinein. Hans konnte dieses Verhalten der Tauben nicht verstehen und fragte seine Großmutter danach. Diese sagte ihm daraufhin, dass die Tauben aus Liebe zu ihren Jungen, diesen in den Tod folgten.

Am Dreschplatz

Jedes Jahr vor der Getreideernte vollzog sich ein Spektakel, was seines gleichen suchte. Es war die Fahrt der Dreschmaschine und der dazugehörigen Dampfmaschine zur „An der Chemischen“. Die Maschinen waren nach Abschluss der Ernte im letzten Jahr in einer Scheune des Maschinisten in der Steinstraße abgestellt. Da eine neue Ernte bevorstand, mussten diese Maschinen wieder den Weg zum „An der Chemischen“ fahren. Der Dreschplatz war ein freier Platz, der sich am Ortsende von Nienburg in Richtung Calbe befand. Seinen Namen hatte dieser Platz erhalten, weil dort einmal eine Chemische Fabrik stand. Am Tag des Transportes wurden die besten Zugpferde, die man in Nienburg auftreiben konnte, zu dieser Aufgabe herangezogen. Um diese Maschinen überhaupt zu bewegen, waren vier Pferde nötig. Als erstes kam die Dreschmaschine dran. Nachdem man diese aus der Scheune gezogen hatte, nahm sie ihren Weg zur „An der Chemischen“ auf. Die Straßen, die man befuhr, mussten gesperrt werden, da die Pferde mit ihrer schweren Last  kaum zu bremsen waren. War man „An der Chemischen“ angelangt, hatte man erst die halbe Arbeit getan. Kam doch jetzt der schwerste Teil dieser Aufgabe, der Transport der Dampfmaschine. Man stelle sich eine Dampflok mit riesigen Eisenrädern vor. Diese mussten nun vier Pferde zum neuen Standort ziehen. Da man eine leichte Steigung hinauf zu fahren hatte, mussten sich zwei Pferde zusätzlich an dieser Arbeit beteiligen. Es war viel Aufwand nötig, um diese Maschinen an ihren neuen Arbeitsplatz zu bringen. Für Hans und die vielen Kinder des kleinen Städtchens war es das Ereignis des Jahres. War nun der Transport abgeschlossen, begann der Aufbau dieser Maschinen. Der Maschinist, Herr Lose, richtete die Dampfmaschine an ihrem Stellplatz aus. Er musste darauf achten, dass man genau in einer Flucht die Dampfmaschine  mit der Dreschmaschine aufstellte. Ein großes Schwungrad an der Dampfmaschine, auf dem ein Antriebsriemen lief und mit der Dreschmaschine verbunden war, trieb diese an. Ein Ausrichten dieser Maschinen war deshalb so wichtig, da sonst der Antriebsriemen abgesprungen wäre. Die Bauern aus Nienburg und der ganzen Umgebung fuhren nach einem genauen Zeitplan ihr Getreide zum Dreschen an. Herr Lose hatte nun die Aufgabe, dass immer Dampf unter dem  Kessel sein musste, was nur mit viel Schippen und sehr viel Kohle möglich war. Auch hatte er die Dreschmaschine in Ordnung zu halten. Dazu gehörte, dass die Siebe gereinigt und immer Garn in der Strohpresse vorhanden sein musste. Es gab auch sonst noch viel zu tun auf diesen Dreschplatz. Hans, der mit dem Enkel des Maschinisten befreundet war, besuchte oft den Dreschplatz. Da auch in der Nacht Herr Lose auf seine Anlage aufpassen musste, war er immer vor Ort. Durch das viele Heizen sah er wie ein Schornsteinfeger aus, was die Kinder sehr lustig fanden. Es blitzten oft nur seine hellen Augen, aus einem von Kohle schwarzem Gesicht hervor. Als er sich einmal zu Hause in seinem Bett ausschlafen wollte, und die Aufsicht seinem Enkel Rainer übertrug, hatte auch Hans die Gelegenheit, eine Nacht „An der Chemischen“ zu erleben. Da sie in einem Zelt übernachteten und ein Auge auf die Anlage zu werfen hatten, war dies ein richtiges Abenteuer. Sie machten die ganze Nacht kein Auge zu und kamen so zu keinem Schlaf. Am Morgen war Hans erschöpft aber glücklich, als der Großvater von seinem Freund Rainer wieder da war. Von solchen Dreschplätzen gab es in Nienburg noch zwei, wo genau solche Maschinen aufgebaut wurden. Es war dies auf der Feuerwehrwiese und  einem Platz am Ortsausgang von Nienburg in Richtung Neugattersleben. Diese Plätze hatten alle eins gemeinsam. Im Sommer war dort immer etwas los, wenn die Bauern mit ihren Erntewagen vorfuhren. Auch versuchte man, einige Getreidekörner als Futter für die Hühner zu bekommen. Hans Hühner litten in der Zeit der Getreideernte keine Not, einige Körner fielen immer für sie ab. Es gab ja nach dem Krieg fast nichts zu kaufen. Die Bauern hatten ein Soll an Abgaben an den Staat abzuführen, den Rest brauchten sie für sich und ihre Tiere.

Auf dem Friedhof

Der Weg zum Friedhof, ans Grab seiner Mutter, war für Hans eine Pflicht. Er schaute dort nach, ob die Blumen noch frisch und später die Pflanzen auf dem Grab Wasser vorfanden. Seine Großeltern legten großen Wert darauf, dass das Grab seiner Mutter immer gut gepflegt aussah. Da es aber an Geld mangelte, war noch kein Grabstein vorhanden. Hans, der es so gern gesehen hätte, dass der Name seiner Mutter auf einem Grabstein stand, gab ein Versprechen ab,  es nachzuholen, wenn er einmal selbst Geld verdiente. Dieses Versprechen erneuerte er immer wieder am Grab seiner lieben Mutter. Auf diesem Friedhof waren noch andere Angehörige von Hans beigesetzt, die dort ihre letzte Ruhe gefunden hatten. Er hielt sich aber bei diesen nicht lange auf. Am liebsten war er am Grab seiner Mutter. Auch vergas er nicht am Grab seines Freundes zu verweilen, der so jung sein Leben verlor, als man in der Saale badete. Da Hans sich auf dem Friedhof sehr leise verhalten musste, und  ihm dies sehr schwer fiel, kam es wie es kommen musste. Als er einmal mit anderen Kindern zu sehr herumtobte, war der Friedhofsaufseher auf ihn aufmerksam geworden und hatte daraufhin seine Großeltern    angesprochen. Sie erklärten Hans, dass er dies zu unterlassen habe. Somit kam es nicht wieder vor. Der Friedhof war, da viele Bänke aufgestellt waren, auch ein Treff der Rentner aus Nienburg. Viele blieben, nachdem sie ihre verstorbenen Angehörigen besucht hatten, noch eine Weile auf den Bänken sitzen, und verbrachten den Nachmittag in dieser wie ein Park angelegten Anlage. Sicher erzählten sie sich Geschichten aus ihrer Jugendzeit. Da viele Bootsleute darunter waren, mag es auch eine Menge Seemannsgarn gewesen sein. Hans, der das Grab seiner Mutter besuchte und Wasser aus einem Trog holte, welcher aussah wie eine große Badewanne, kam eines Tages auf die Idee, dort ein Bad zu nehmen. Er dachte sich nichts dabei, als er seine Sachen ablegte und darin rumplanschte. Wasser hatte für Hans, seit seiner Taufe, sowieso magische Anziehungskraft. Da aber nicht weit davon der Aufenthaltsraum des Friedhofsaufsehers war, bekam es dieser mit. Er war sofort zur Stelle und nahm Hans seine Anziehsachen weg. Er sagte daraufhin,  dass er diese Sachen nur seinen Großeltern aushändigen wolle. Da half weder Betteln und Klagen. Hans musste in der Unterhose nach Hause laufen. Sein Großvater holte die Anziehsachen  beim Friedhofswärter ab. Sein Großvater musste sich einige unschöne Dinge über das Verhalten seines Enkel auf dem Friedhof anhören. Hans, der sich keiner Schuld bewusst war, und dies zu verstehen gab, erhielt auch keine Strafe daraufhin. Nur seine Großeltern erzählten etwas von Totenruhe und das es sich nicht gehört, auf dem Friedhof zu baden. Er versprach ab sofort, dies nicht wieder zu tun. So war Hans wieder einmal in Nienburg aufgefallen, ohne dass er es in böser Absicht getan hatte.

Der Wüterrich

Es gab aber auch Dinge, die Hans nicht verstehen konnte. Dazu gehörte, dass ein Bewohner aus Nienburg eines Tages, seine Wohnungseinrichtung zum Fenster hinaus warf. Als Hans, es war gegen Abend, durch den Ort strolchte, hörte er ein furchtbares Geschrei. Danach flogen Gegenstände durch das noch geschlossene Fenster. Zum Glück war es an einer Stelle im Ort, wo keine Leute von diesen Dingen getroffen werden konnten. Es war gegenüber der Gelben Schule wo dieses Schauspiel stattfand. Man hätte annehmen können, dass es sich um einen Polterabend handelte. Nach einer halben Stunde hatte dieses Geschrei noch immer nicht aufgehört, obwohl sich viele Zuschauer eingefunden hatten. Es gab jedes Mal Beifall, wenn wieder eine Kanne oder andere Dinge aus Porzellan aus dem Fenster flogen. Da dieser betrunkene Mann  auch seine Wohnungseinrichtung zertrümmerte, war dies mit sehr viel Krach verbunden. Erst als es etwas ruhiger wurde, traute sich der Nienburger Ortspolizist in dieses Haus hinein, und machte dem Treiben dort ein Ende. Da Hans so etwas noch nicht erlebt hatte, konnte er dieses Verhalten des Betrunkenen kaum nachvollziehen. Das einzige Mal, wo bei Hans etwas zu Bruch ging, lag schon etwas länger zurück. Als er Bier für seinen Großvater  aus dem  „SILBERNEN  ANKER“ holte, fiel ihm der Bierkrug aus der Hand. Zweieinhalbe Liter Bier flossen in der Stube aus, und seine Großmutter hatte eine weile Arbeit, alles wieder sauber zu bekommen. Das war aber im Vergleich zur Tat des Betrunkenen nur eine zum Schmunzeln. Der Mann, der seinen Hausrat zum Fenster rausgeworfen hatte, zog mit seiner Familie in einen unbekannten Ort. Man sprach in Nienburg unter vorgehaltener Hand, dass er ins Gefängnis gekommen ist, und seine Frau mit den Kindern in den Westen zu ihren Verwandten gereist sei.

Rudi der Zuckerlecker

Das nicht nur unser Hans zu Streichen aufgelegt war, werden wir an der nächsten Geschichte sehen. In der  Schulklasse von Hans war ein Schüler, der für sein Leben gern Zucker naschte. Man nannte ihn auch wegen dieser Leidenschaft schon den Zuckerlecker. Wollte man Rudi eine Freude machen, brachte man ihm Zucker mit in die Schule. Da man Zucker nur auf einer Lebensmittelkarte erhielt, kam es selten  genug vor, dass er Zucker  geschenkt bekam. Sein Vater war gefallen und seine Mutter zog Rudi alleine auf. Da sie  für den Lebensunterhalt zu sorgen hatte, ging sie im Zementwerk auf Arbeit. Sie verließ schon am frühen Morgen ihre Wohnung und kam erst am späten Nachmittag nach Hause zurück. Rudi hatte nun Zeit in jeder Ecke der Wohnung nach diesen Leckerbissen Zucker zu suchen. Seine Mutter musste auf den Zucker aufpassen wie der Teufel auf die Seele und versteckte ihn daher jeden Tag an einer anderen Stelle. Rudi fand ihn aber immer wieder und naschte den Zucker auf. Als alles nichts half, entschloss sie sich, den Zucker im Küchenschrank einzuschließen. Als unser kleiner Zuckerlecker eines Tages nicht in der Schule erschien, schickte man Hans dorthin, um nachzusehen, was los sei. Seine Mutter hatte ihn nicht entschuldigt, daher dachte man, er wollte die Schule schwänzen. Als Hans an der Tür von Rudis  Wohnung angelangt war, hörte er schwache Hilfeschreie. Hans lief zur Schule zurück und der Lehrer setzte eine Hilfsaktion in Gang. Als man mit viel Mühe die Tür aufgebrochen hatte, fand man  Rudi unter dem Küchenschrank eingeklemmt vor. Nach seiner Befreiung aus dieser gefährlichen Lage, die er ohne eine Verletzung überstanden hatte, erzählte er, wie es dazu gekommen war. Auf der Suche nach Zucker war er auf einen Stuhl gestiegen. Im Küchenschrank, wo er diesen vermutete, versuchte er das Schloss, was seine Mutter angebracht hatte, zu öffnen. Da dieser Küchenschrank zweiteilig war und er mit dem Stuhl ins wanken kam, stürzte er mit dem oberen Teil ab. Unser Rudi hatte großes Glück. Es hätte auch böse enden können.

Der Milchkannenschleuderwettbewerb

In der Zeit der Fünfziger Jahre, hatte man fast keine Lebensmittel zur Verfügung. Wenn man etwas kaufen wollte, brauchte man eine Lebensmittelkarte. Selbst Milch war nur auf einer  dieser Karten und nur für Kinder und Kranke zu bekommen. Es war nun die Aufgabe von Hans, jeden Tag diese Milch von der Molkerei zu holen. Molkerei nannte man die Stelle, wo die Ausgabe der Milch erfolgte. Er bekam von seiner Großmutter eine Milchkanne mit einem Henkel in die Hand gedrückt und ab ging es dorthin. An der Ausgabestelle musste Hans sich anstellen, und oft war keine Milch eingetroffen, so dass sein Weg umsonst war. Da sich dort die Kinder trafen, hatte man sich einen Wettkampf ausgedacht. Es war dies der Wettkampf des Milchkannenschleuderns. Dabei wird die Milchkanne in kreisender Bewegung um die eigene Achse geschleudert. Es traten immer zwei Jungen gegeneinander an. Sieger war, wer die meisten Umdrehungen schaffte. Als Hans es auch mal mit einem Jungen aufnehmen wollte, ging alles schief. Mag es daran gelegen haben, dass seine Geschwindigkeit zu gering war oder er den Trick noch nicht richtig raus hatte. Seine Milch verschüttete er, sehr zur Freude seines Mitspielers, auf die Strasse und zum Teil auch auf sich. Seine Großeltern hatten wieder einmal einen Grund sich aufzuregen, was mit einem Tag Hausarrest für Hans verbunden war. Da es im Hausgarten auch etwas zu erleben gab, war dieser Tag des Hausarrestes schnell zu Ende.

Osterfeuer

Es stand das Osterfest vor der Tür , in der Schule freute man sich schon auf die Ferien, die man daraufhin bekam. Es war  ein uralter Brauch in Nienburg, dass man zu Ostern ein Feuer anzündete. Je größer dieses Feuer war, um so mehr Ansehen bekam man im Ort. Die Kinder des Stadtrandes beauftragte man ein Holzstapel aufzuschlichten.  Einen Monat vor Ostern wurde damit begonnen, Holz, Gestrüpp und anderes brennbares Material zusammen zu schlichten. Auf einem Acker am Rande der Siedlung sollte es abgebrannt werden. Da es in Nienburg unter den Kindern drei Gruppen gab, trug auch nur die Gruppe, in deren Revier das Osterfeuer stattfand, das Brennmaterial zusammen. Wollte nun ein Kind aus einer anderen Gruppe  mithelfen und etwas Holz dort ablegen, kam es zum Streit und manchmal auch zu einer Keilerei.  Jede  Gruppe wollte das größte und das beste Osterfeuer zusammen tragen. Da Hans in einer Gruppe war, die dem Holzstapel am nächsten war, hielten sie sich in deren Nähe oft auf. Man verfolgte das Wachsen des Holzstapels mit neidischen Augen. Oft kam es, weil man zu nah am Revier der anderen Gruppe war, zu Rangeleien. Doch konnte Hans mit seiner Gruppe durch einen   geschickten Rückzug eine Keilerei verhindern. Im Ort gab es nur noch einen Gesprächsstoff, das Osterfeuer und die Größe des Stapels. Da beim Abrennen des Holzstapels eine Kapelle zum Tanz und der Ausschank von Bier erlaubt sein sollte, freute sich ganz Nienburg darauf. Einige Tage vor Ostern fing man an, den Festplatz herzurichten. Man brachte Zelte sowie Stühle und Bänke dorthin. Die Gruppe des Stadtrandes war mit dem mühseligen Zusammentragen fertig. Sie fanden einfach nichts mehr, was man verbrennen konnte. Ihr Holzstapel hatte ein riesiges Ausmaß angenommen. Die Kinder des Stadtrandes waren sehr stolz darauf. Nur Hans und seine Truppe sann auf Rache, und wie man ihnen einen Streich spielen konnte. Nach einigem Hin und Her kam einer auf den Gedanken, man müsse den Holzstapel vor dem Fest anzünden. Da dieser Holzstapel nicht bewacht werden brauchte. Da er ja wie man glaubte, etwas Staatliches sei, war dies leicht auszuführen. Einen Tag vor dem Fest wurde diese böse Tat auch ausgeführt. Trotz des schnellen Eintreffens der Feuerwehr, war dieser riesige Holzstapel nicht mehr zu retten. Da der Bürgermeister ein Kinderfreund und in seiner Jugend sicher auch Streiche verübt hatte, blieb eine Bestrafung aus. Doch hatte dieses Ereignis die Unstimmigkeit der Gruppen untereinander noch vertieft.

Der Pferdebraten

Einer der reichsten oder der Reichste im Ort überhaupt, war Pferdekraus. Dieser Pferdekraus hatte eine Ponydiele, also eine Kneipe mit Gerichten aus Pferdefleisch, Pferdefleischverkauf und noch dazu Landwirtschaft. Da es zur damaligen Zeit nur Pferdefleisch ohne einen Bezugsschein gab, war jede Woche dort etwas los. Es standen bis einhundert Leute schon sehr zeitig, manche eine Nacht, an diesem Geschäft an. Als das Geschäft öffnete, regten sich einige Leute auf, weil die Verkäufer erst behinderten Personen etwas verkauften mussten. Das nutzten die Blinden aus Bernburg reichlich aus. Da es dort eine Blindenschule gab, kamen immer mehr Blinde mit ihrer Begleitung nach Nienburg zu diesem Geschäft. Sicher kauften sie nicht nur für sich, sondern versorgten auch ihre Angehörigen mit Fleisch und Pferdewurst. Es brach fast eine Revolte aus, wenn man eine ganze Nacht gewartet hatte, und dann noch mit leeren Taschen nach Hause geschickt wurde. Hans war in der glücklichen Lage, sich nicht dort anstellen zu müssen. Man brachte seinen Großeltern das Fleisch und die Pferdewurst nach Hause. Es war der Altbauer, der es brachte. Dieser war ganz weitläufig mit Hans Großmutter verwandt. War es nun das Trinkgeld, was er sich verdienen wollte oder war es diese weitläufige Verwandtschaft, für Hans und seine Familie war es jedenfalls eine große Hilfe in dieser schlechten Zeit. Da der Altbauer noch andere Leute im Ort mit diesem Fleisch versorgte, sagte seine Großmutter, der will nur das Geld an der Steuer vorbeimogeln. Da es dann Pferdegulasch gab, war es sehr lustig, wenn der Großvater nach dem Essen dieses Pferdefleisches aus Spaß zu wiehern anfing.

Ein Ausflug auf der Saale

 Am Kindertag war es Brauch, dass von der Schule aus eine Schifffahrt organisiert wurde. Nienburg hatte dafür zwei Schiffe zur Verfügung. Es waren die „Sachsen Anhalt“ und die „Anne Gertrud“, die in Nienburg ihren Standort hatten. Eines war nach dem Land „Sachsen Anhalt“ und das andere nach der Frau des Besitzers des Schiffes getauft. Es war aber ein großer Unterschied, ob man mit der „Sachsen Anhalt“ oder mit der „Anne Gertrud“ fahren durfte. War die „Anne Gertrud“ auch etwas kleiner, so war sie, da man schneller fuhr, bei den Kindern sehr beliebt. Es gab nur einen Nachteil. Man durfte seinen Platz während der Fahrt nicht verlassen, was für die Kinder, besonders aber für Hans eine schwere Strafe war. Die „Sachsen Anhalt“ war durch ihre Größe etwas langsamer. Doch durfte man sich dort an Bord frei bewegen. Bei einer dieser Fahrten musste Hans die „ Anna Gertrud“ nur deshalb verlassen, weil er nicht ruhig auf seinem Platz sitzen blieb. Er machte den Kapitän durch sein hin- und herlaufen an Bord auf sich aufmerksam, so dass dieser, einen Bootswechsel  für Hans veranlasste. Wenn man in Nienburg ablegte, fuhr man die Saale flussaufwärts. Da Alsleben ihr Ziel sein sollte, war eine Schleusendurchfahrt in Bernburg mit inbegriffen. Dies bereitete den Kindern besonderen Spaß. Tropfte doch bei dieser Durchfahrt Wasser von den Schleusentoren den Kindern auf die Köpfe. Es dauerte manchmal über eine Stunde, bis man die Schleuse in Bernburg in Richtung Alsleben wieder verließ. Danach fuhr man an kleinen Orten vorbei die Saale aufwärts, bis man an den Schleusentoren der Stadt Alsleben wieder umkehrte. Da eine Pause in Alsleben eingeplant war, durfte man an Land. Wer das nötige Kleingeld hatte, kaufte sich Limonade und Kekse und war somit für die Rückfahrt gerüstet. Zu Hause in Nienburg angekommen, wurde man von seinen Lieben erwartet und empfangen. So war der Kindertag in Nienburg immer mit einer Bootsfahrt und einem besonders schönen Erlebnis verbunden.

Am Bootshaus

Am Zusammenfluss der Bode mit der Saale stand ein altes Bootshaus. Dieses war gegenüber dem Liegeplatz der  „Sachsen Anhalt“ und „Anne Gertrud“. Obwohl es schon halb dem Verfall preisgegeben, bot es den Nienburger Kindern einen hervorragenden Abenteuerspielplatz. Hans war mit seiner Gruppe oft dort spielen. War dieses Bootshaus doch genau am Wasser aufgebaut, das Hans so liebte. Er konnte spielen und hatte immer einen Blick auf die Bode und Saale. Was gab es dort alles zu sehen. Man sah den Dampfern zu, die mit angehängten Kähnen die Saale aufwärts und abwärts zogen. Auch konnte man das Anlegen der Schiffe beobachten, die in Nienburg ihren Liegeplatz hatten. Was Hans auch Freude bereitete und wo er lange zuschauen konnte, war bei den Anglern, die am Zusammenfluss der Bode mit der Saale angelten. Der Zusammenfluss war eine Stelle, wo man Aale auch bei Tag fangen konnte. Jedoch waren die besten Plätze meist am frühen Nachmittag vergeben. Man traf Angler aber den ganzen Tag dort an. Hans und die Kinder aus seiner Nachbarschaft waren immer auf der Hut, dass keine anderen Kinder in ihr Reich des alten Bootshauses eindrangen. Kam es doch einmal vor, so wurde eine regelrechte Schlacht ausgefochten. Da in Hans seiner Gruppe schon ältere Kinder waren, konnte jeder Angriff erfolgreich abgeschlagen werden. An einem Feiertag jedoch kam es zu einem Zwischenfall, der für sehr viel Aufregung sorgen sollte. Es war die Gruppe vom Stadtrand, die noch ein Hühnchen mit Hans und seinen Spielkameraden zu rupfen hatte. War es doch Hans seine Gruppe, die ihr mühsam zusammengetragenes Osterfeuer vorzeitig angezündet hatte. Nun, da es zum Zusammentreffen beider Kinderscharen kam, ereignete sich dieser bedauerliche Vorfall. Es war sicher ein Zufall, dass bei dieser Rauferei ein Junge von einem Stein im Auge getroffen wurde. Die Verletzung war so schlimm, dass er in ein Krankenhaus kam. Durch dieses Unglück wurde aber der Streit beider Gruppe endgültig beendet. Man spielte ab sofort einträchtig miteinander bis auf kleine Reibereien, die so unter Kindern vorkamen, war man sich einigermaßen einig. So hatte das Unglück, das dort geschehen war, zur Einsicht und Vernunft unter den Kindern beider Gruppen geführt.

Die Melkerin

Hans sein Weg, vom Spielen nach Hause, führte bei einem Bauernhof vorbei. Dieses Bauernhaus stand am Brautwinkel in der Nähe der Schlossstraße. Es waren dort zum Belüften der Ställe, da diese etwas tiefer als die Straße lagen Tonröhren in das Mauerwerk eingelassen. Hans schaute nun durch eins dieser Rohre der Bäuerin beim Melken zu. Als ob sie Hans nicht bemerkte, machte sie ihre Arbeit weiter. Doch plötzlich traf ein Strahl Milch Hans im Gesicht. Sie hatte einfach den Strahl, der in den Eimer rein sollte, auf die Entlüftung gehalten und ihr Ziel getroffen. Als Hans dies zu Hause erzählte, lobte sein Großvater den Spaß dieser Frau, und musste dabei lachen. Am anderen Tag hatte Hans seinen Spaß. Er sagte zu seinem Spielfreund Bernd, dass dieser einmal durch dieses Rohr schauen sollte. Es kam so, wie er es sich vorgestellt hatte. Auch sein Freund Bernd bekam einen Strahl Milch ins Auge. Hans konnte vor lauter lachen seine Tränen nicht halten, als er das verdutzte Gesicht von Bernd sah. Danach schaute keiner mehr dieser Bäuerin beim Melken zu.

Der Schornsteinfeger

 Der nächste Streich ließ nicht lange auf sich warten, der für Hans aber nicht so lustig enden sollte. Da man in Nienburg nur mit Kohleknorpel, oder wenn man es sich leisten konnte, mit Presslingen, das war gepresster Kohlenstaub heizte, war der Schornstein der Häuser oft verrußt. Schornsteinfeger Klumme hatte viel Arbeit, diesen Ruß zu entfernen. Weil in Nienburg kleine Häuser stehen, welche in einer Reihe gebaut waren, hatte es der Schornsteinfeger leicht, über die Dächer zu den Schornsteinen zu gelangen. Schwerer war es schon, das Geld dafür zu kassieren, weil an jeder Haustür erst einmal geklingelt werden musste. Weil er dabei die Reinigungswerkzeuge am Haus abstellte, war es für Hans ein leichtes, dieses Werkzeug zu nehmen und an einen Platz, den man nicht einsehen konnte, zu verstecken. Aber diesmal hatte der Schornsteinfeger Klumme etwas mitbekommen. Hans war noch nicht an der Ecke der Franzstraße angelangt, als der erboste Schornsteinfeger Hans im Genick zu fassen bekam, und ihm eine schallende Ohrfeige verabreichte. Hans, lies das Werkzeug des Schornsteinfegers fallen und suchte sein Heil in der Flucht. Ab dieser Zeit machte Hans einen großen Bogen um den Schornsteinfeger, wenn er diesen auch nur aus der Ferne sah.

Das Fischsterben

Eine der traurigsten Geschichten, die Hans in seiner Jugendzeit erlebte, war das Fischsterben in dem Mühlgraben und in, der Bode. Der Mühlenmeister war am Vorabend bei seinen Großeltern gewesen, und hatte von den mit dem Tode ringenden Fischen in der Bode und dem Mühlgraben berichtet. Und da Sommerferien in der Schule waren, lief Hans am anderen Morgen zum Mühlgraben. Was ihn dort an der ersten Brücke erwartete, war nicht mit Worten zu beschreiben. In der vollen Breite des Mühlengrabens und in einer Länge von fünf Metern lagen dicht an dicht gedrängt mit dem Tode ringende Fische. Sie wurden durch einen Mühlenschutz aufgehalten und versammelten sich dort, um zu sterben. Hans liefen die Tränen aus den Augen, als er das Fischsterben mit ansehen musste. Es waren vor allem die Weißfische, die dort zu Grunde gingen. Aber etwas weiter ab von dem Gedränge standen die Karpfen und die Hechte. Hans hatte solche großen Fische in der Bode weder gesehen, noch hatte man solche großen Fische je gefangen. Der Nienburger Angelverein, den man benachrichtigt hatte, versuchte nun einige dieser unglücklichen Tiere zu retten. Da vor allen die großen Hechte und Karpfen als erstes aus dem verseuchten Wasser geschafft werden sollten, nahm man auch Netze zu Hilfe. Es war zwar streng verboten Netze zu benutzen, da es aber einem guten Zweck dienen sollte, fragte keiner danach. Es gelang auch tatsächlich viele dieser Fische vor dem sicheren Untergang zu retten und diese in den Anglerteich umzusetzen. Da in den nächsten zwei Jahren Angelverbot im Angelteich herrschte, konnten sich diese geretteten Fische sogar vermehren. Das Angeln in der Bode war seit diesem Ereignis nicht mehr möglich und zulässig. Die Frage wo dieses Gift herkam, war nicht zu klären. Man sprach davon, dass die neue Wirtschaft Schuld daran sei.

Beim Bauer

 Die Sommerferien waren für Hans die Zeit, wo er etwas Geld für sich und seine Großeltern dazuverdienen konnte. Da seine Großeltern nur von ihrer Rente und dem Waisengeld, was sie für Hans bekamen lebten, war immer wenig Geld im Haus. Hans war also auf der Suche nach einer Ferienarbeit. Im benachbarten Dorf Altenburg bei Nienburg, war eine Hopfenanlage angelegt, und auch die Trockenanlage hatte man gebaut. Da Hopfenpflücker gesucht wurden, meldete sich Hans für diese Arbeit. Er hatte ein Alter erreicht, wo man ihn einstellen konnte. Man traf sich am frühen Morgen auf dem Markt in Nienburg und wartete auf den Abtransport zum Hopfenfeld.  Es war ein uralter Bus, der Hans und die anderen Hopfenpflücker zum Hopfenschlag nach Altenburg brachte. An ihrem Arbeitsplatz erhielten sie einen Weidenkorb, der mit den Blüten des Hopfens gefüllt werden sollte. Für seine Begriffe war dieser Korb viel zu groß. Erst wenn dieser Korb gestrichen voll mit den Dolden des Hopfens gefüllt war, erhielt man eine Wertmarke. Diese Marke hatte einen Wert von fünfzig Pfennigen und wurde am Ende des Arbeitstages in richtiges Geld eingetauscht. Die ersten Körbe waren schnell gefüllt, doch mit der Zeit war diese Arbeit immer langweiliger und Hans verlor die Lust am Hopfenpflücken. Hans fing an, die Landschaft zu betrachten und zu erkunden. Sein Korb blieb leer und der Meister, der sein Soll und seine Prämie in Gefahr sah, schickte Hans nach Hause. Danach nahm Hans eine Arbeit bei einem Bauern in Altenburg an. Es waren ja fast keine Männer da. Entweder waren sie in Gefangenschaft oder im Krieg gefallen. Nur die Bauersleute hatte man weitgehend verschont. Allein schafften diese es aber nicht die Ernte unter Dach und Fach zu bringen. Somit bekam Hans  in seinem Alter schon Arbeit auf einem Bauernhof. Und da Hans diese Arbeit mehr Spaß machte als Hopfenpflücken, konnte er sich doch noch etwas Geld in den Ferien verdienen. Seine Arbeit bestand darin, bei der Getreideernte zu helfen. Hans musste die Getreidegarben zusammen stellen und beim Abtransport derselben helfen. Auch war es seine Aufgabe, sich um die Pferde des Bauern zu kümmern. Als sie bei Feldarbeiten einen Hasen in einer Drahtschlinge vorfanden, die Wilderer dort aufgestellt hatten, war dies für Hans ein Schock. Da er sehr tierlieb war, hatte der grausame Tod dieses Tieres in der Schlinge der Wilddiebe in Hans tiefe Traurigkeit ausgelöst. Es war sicher die Not in der Nachkriegszeit, die Menschen zu solcher böser Tat veranlasste. Das Beste aber bei Bauer Kunze in Altenburg war, neben seinen zwei Töchtern, die dicken Wurstbrote, die es dort zu Essen gab. Man erwartete schon zur Mittagszeit die Bäuerin mit den Köstlichkeiten. Hans arbeitete in der Folgezeit noch bei anderen Bauern in Altenburg. Solches gutes Essen gab es aber nirgendwo wieder.

Am Hamsterbau

 Nach der Ernte, bevor die Felder umgepflügt wurden, machten sich die Nienburger auf die Suche nach dem Feldhamster und dessen Bau. Diesen Nager war man auf der Spur, um ihn seinen Wintervorrat und nach Möglichkeit auch noch sein Fell zu berauben. Hans schloss sich einmal einem solchen Hamsterfänger an. Am Feld angekommen, musste man als erstes die Nebenausgänge des Hamsterbaues finden und diese mit Stroh verstopfen. Danach fing man an, sein Fallloch aufzugraben. Dieses Fallloch diente dem Hamster dazu, sich bei einer Gefahr blitzschnell in seinen Bau zurückzuziehen. Wenn ein Hamster Glück hatte, war er nicht mehr in seinem Bau und konnte somit sein Leben retten. Nach dem Aufgraben des Baues suchte man nach der Vorratskammer des Nagers. Nun wurde sein mühsam zusammengetragener Wintervorrat aus dem Bau geholt. Es kam vor, dass es mehr als eine Rucksackfüllung war, die man dort vorfand. War der Hamster in seinem Bau, versuchte er, seinen Wintervorrat zu verteidigen. Als Hans beim Ausräumen des Wintervorrats eines sich verteidigten Hamsters zu Nahe kam, biss dieser Hans in den Finger. Hans sein Begleiter musste danach vor Lachen seinen Bauch halten, so dass Hans zum Schaden auch noch den Spott hatte. Hans hielt ab sofort etwas Abstand von Hamsterlöchern, obwohl er das Getreide der Nager gut für seine Hühner gebrauchen konnte.

Der Sprengstoff

Es sollte nicht das letzte Abenteuer dieser Ferien bleiben. Das Nächste aber in einer Katastrophe hätte enden können.  Einige Häuser von seinen Großeltern entfernt, wohnte ein Nachbar dessen Beruf es war, wovon Kinder träumen. Er war Lockfahrer im Steinbruch der Zementwerke. Es war nun Hans Wunsch diesen einmal bei seiner Arbeit im Steinbruch zu begleiten. Nach vielem betteln bekam er die Erlaubnis dazu. Da an einem Sonntag keine Sprengungen im Steinbruch vorgenommen wurden, erschien es dem Lockführer am sichersten. Der Steinbruch war über eine Schräge zu erreichen. Diese Schräge diente dazu, dass der Kalkstein, der im Steinbruch abgebaut wurde, zu dem Zementwerk transportiert werden konnte. Dies geschah durch Loren, die in einer Kette eingehängt wurden, und danach heraufgezogen wurden. Die Aufgabe des Lockfahrers war es nun die Loren von der Abbruchkante des Kalksteines bis zu dieser Stelle an der Schräge zu transportieren. Eine Lok zog zehn Loren, wobei eine Lore über einen Kubikmeter Kalkstein  dorthin transportierte, wo er weiter zu Zement verarbeitet wurde. Hans hatte schon mehrmals an diesem Sonntag eine Fahrt dorthin unternommen. Als sie an dem Steinbruchrand angelangt waren, fragte Hans den Lockführer, ob er sich dort mal umsehen könnte. Da er für eine Weile allein war, fing er an, nach Versteinerrungen zu suchen, die sich im Kalkstein befanden. Bei dieser Arbeit stieß er auf merkwürdige Dinge. Es waren Drahtschnüre und Rollen aus Papier mit einem weichen Kern. Da es in jener Zeit  sowieso nichts gab, sammelte Hans von diesen Sachen einige auf, und steckte sie in seiner Brottasche. Am darauf folgenden Tag fiel Hans ein, dass er noch etwas vom Steinbruch mitgebracht hatte. Aus dem Draht, machte er Krampen für seine Schnippe. Da man aus den Papierrollen nichts bauen konnte, sollten diese als Brennstoff dienen. Er nahm zwei dieser Rollen und steckte diese in den Küchenherd. Was nun erfolgte kann kaum beschrieben werden, eine riesige Stichflamme schoss aus dem Küchenherd und verbrannte Hans die Haare. Hatte dieser Lümmel doch Sprengstoff, der bei einer Fehlzündung im Steinbruch nicht gezündet hatte, in den Ofen gesteckt. Nur der glückliche  Umstand, dass kein Zünder im Sprengstoff war, hatte eine Katastrophe verhindert. So war dieses letzte Ferienerlebnis noch einmal glücklich ausgegangen. Am nächsten Tag fing wieder der Schulalltag an und die schöne Ferienzeit war vorbei.

Eine Katze in Not

Hans Schulweg zu Roten Schule führte an der Kreuzgasse vorbei. In einem Eckhaus war eine Fellannahme untergebracht. Dort brachte man die Kaninchenfelle, die von dem Tier übriggeblieben waren, zum Fellhändler. Es war schon eine komische Sache, wenn man dort vorbei ging. Es hingen dort auf einem Hausboden so an die einhundert Felle auf einem Rahmen gespannt zum Trocknen aus. Nicht das man diese Felle immer sah, dies war nur bei schönem Wetter möglich. Eine große Tür verschloss andernfalls diesen Trockenboden. Als nach einer Schönwetterperiode es zu regnen anfing, verschloss man diese Tür. Das brachte Hans ein Erlebnis der besondere Art. Es war schon der zweite Tag als ihn ein miauen und poltern dort auffiel, dass mit jedem Tag lauter wurde. Am dritten Tag konnte es Hans nicht mehr anhören. Er klingelte dort nach dem Hausherrn. Nach etlichen Fehlversuchen bekam er von einem Nachbarn  die Auskunft, dass der Besitzer dieses Geschäftes im Urlaub sei, und dieser auch nicht vor Ablauf einer Woche zurück sei. Es blieb Hans nichts anderes übrig als zur Polizei zu gehen. Er hätte sich diesen Weg gern erspart, es musste aber sein, wollte er dieses Tier auf dem Hausboden retten. Nach einiger Zeit wiederholten Bittens, konnte Hans den Nienburger Polizisten überzeugen, dort auf dem Heuboden nach dem Rechten zu sehen. Mit einer Leiter überstieg der Polizist die Mauer und gelangte so an die verriegelte Tür. Als er die Tür einen Spalt geöffnet hatte sprang ihm eine Katze ins Gesicht. Mit unwahrscheinlicher Geschwindigkeit rannte sie danach durch die Kreuzgasse, um in dem Garten des Altersheimes zu verschwinden. Dies war aber noch nicht alles. Am Schwanz des Tieres war eine Blechbüchse angebunden. Es polterte und klapperte ungemein, bevor sie dort verschwand. Das verdutzte Gesicht des Ortspolizisten, der für seine gute Tat einige Kratzer im Gesicht abbekam, sah lustig aus. Alle Nachforschungen wie das Tier dort hineinkam verliefen im Sande.

Die Sirene

 Der Klassenlehrer hatte seine liebe Not, die Klasse wieder an das Stillsitzen zu gewöhnen. Aber nach drei Tagen nahm der Unterricht seinen gewohnten Lauf. Da in der Roten Schule Holztreppen eingebaut waren, war es Pflicht, dass man öfter eine Feuerübung abhielt. Die Pausenglocke schrillte dann ununterbrochen. Dieses Signal besagte, dass alle Schüler die Klassenzimmer zu verlassen und sich auf dem Schulhof zu versammeln hatten. Es gab, da der Lehrer von dieser Übung sicher Bescheid wusste, eine geordnete Flucht ins Freie. Nach einem Zählappell wurde der Unterricht fortgesetzt. Hans hatte die Übungen schon  oft mitgemacht. Diese Übung war jedoch der Auslöser einer neuen Mutprobe. Man kam auf die Idee, dass Hans eine neue Mutprobe zu bestehen habe. Er sollte die Sirene, die am Markt ihren Standort hatte auslösen. Man wollte einfach mal sehen, was danach passiert. Am nachfolgenden Nachmittag war es soweit. Hans stand bereit und als er glaubte, dass man ihn nicht beobachtet, drückte er den Sirenenknopf. Da vor diesem Sirenenknopf kein Glas eingesetzt war, ging dies auch gut vonstatten. Als die Sirene losheulte, schauten natürlich alle Leute zur Sirene und sahen Hans von dort fortlaufen. Ein Nienburger, der etwas schneller als Hans laufen konnte, hatte ihn schnell eingeholt. Ein Satz hinter die Ohren hatte er schon erhalten, als dieser ihn an den Platz des Geschehens zurückbrachte. Da trafen auch schon die ersten Feuerwehrleute ein. Man glaubte ja, dass man zu einem Einsatz gerufen wurde. Ein Feuerwehrmann kam mit seinem Fahrrad so schnell angefahren, dass Hans glaubte, dass dieser die Kurve der Feuerwehreinfahrt nicht bekommen konnte. Trotz der misslichen Lage, fand er es sehr lustig. Da er zum ersten Mal die Ankunft der Feuerwehrleute sah, war er überrascht, wie schnell sie einsatzbereit waren. Die Lustigkeit sollte ihn aber schnell vergehen, als er zur Polizei gebracht wurde. Dieses Mal ging es aber nicht ohne eine Strafe aus. Hans oder besser gesagt seine Großeltern sollten fünfzig Mark bezahlen. Das war zur damaligen Zeit viel Geld, fast schon ein kleines Vermögen. Nach mehrmaligen Rücksprachen bei der Polizei, wo seine Großeltern auf ihre schlechte finanzielle Lage aufmerksam machten, sah man von einer Geldstrafe ab. Aber da Hans nicht ohne eine Strafe ausgehen sollte, bekam er zehn Stunden gemeinnützige Arbeit aufgebrummt.

Strafarbeit

Nach der Schule und den Hausaufgaben, die zu erledigen waren, musste er sich zur Strafarbeit am Rathaus melden. Zwei Stadtarbeiter nahmen ihn dort in Empfang. Sie waren mit der Beseitigung des Schmutzes aus der Gosse beschäftigt. Hans war somit in die Gilde der Straßenfeger eingetreten. Da zum Abtransport des Straßenstaubes und den Resten, die sich im Gully angesammelt hatten, ein Wagen nötig war, sollte Hans diesen aus dem Stadtschuppen holen. Er kannte schon diesen Wagen, sah er doch die Straßenfeger damit schon arbeiten. Es war ein Wagen, der aussah wie ein Müllkübel, nur dass er sehr große Eisenräder an der Seite hatte. Es war Hans sehr peinlich als er mit dem Fahrzeug durch Nienburg fuhr. Vor allem deswegen, weil seine Schulfreunde ihn dabei zusahen und mit Gespött nicht sparten.  War nun dieser Wagen mit Unrat gefüllt, brachte man ihn auf eine Deponie an dem Mühlgraben. Die war am Ende der Wasserreihe an der ersten Brücke hinter dem Garten der Familie Pfeffer. Da Hans schon die fünfte von zehn Stunden ableistete, war die Deponie oft sein Ziel. Bei einer Pause entfernte sich Hans einmal von seinem Arbeitsgerät. Es war nun für die Kinder des Ortes leicht, den Wagen mit Draht an einem Baum festzubinden. Hans sah noch den Übeltäter, der dies anstellte. Den Stadtarbeitern, denen das Ausbleiben von Hans zu lange dauerte, schauten nun nach dem Rechten. Als sie ihren Wagen angebunden vorfanden, dachten sie an einen neuen Streich von Hans. Als dieser sich näherte packten sie ihn und schüttelten ihn durch. Unter Tränen beschwor er seine Unschuld und verriet den Übeltäter. Er sagte: „Herr Gossenpietscher, das war ich nicht, das war Bernd Krieger“. Da „Gossenpietscher“ der Schimpfname der Kinder für diese zwei Leute war, gab es erst recht eins hinter die Ohren. Da Hans danach nicht mehr mit diesen beiden arbeiten konnte, wurde der Rest der Stunden erlassen. Der Bürgermeister dachte sicherlich, dass eine Tracht Prügel besser war, als die fünf Stunden, die noch offen waren. Hans jedenfalls machte sich sofort aus dem Staub, wenn er diese beiden Straßenfeger nur aus der Ferne schon sah. Es ist nicht bekannt, dass danach ein Kind die Sirene nur wegen einer Mutprobe eingedrückt hat, denn rumtoben und spielen ist besser als Straße fegen.

Einmal Stecknadelsamen

 Unter den Nienburger Kindern war es beliebt, anderen Kindern einen Streich zu spielen. Selbst Hans ist einmal ihren Streichen zum Opfer gefallen. Da Hans sehr hilfsbereit war und alles glaubte, was man ihm sagte, sollte er für fünf Pfennige Stecknadelsamen aus der Drogerie Müller holen. Hans bekam Geld und machte sich auf den Weg zur Drogerie um den Stecknadelsamen zu kaufen. Man schaute Hans erst etwas komisch an, doch nach kurzem Zögern verschwand der Drogist um danach mit einer kleinen Schachtel wieder zu erscheinen. Die Schachtel war nicht viel größer als ein Fingerhut, und enthielt rote Kristalle. Herr Müller, der Drogist, riet Hans noch diesen Samen recht gut anzugießen und auch das Düngen ja nicht zu vergessen. Als Hans mit seiner Schachtel bei den großen Kindern erschien, berichtete er ihnen, was es zu beachten gäbe. Die großen Kinder wollten es erst nicht glauben, das Hans Stecknadelsamen erhalten hatte. Sie mussten herzhaft lachen, erst recht, als sie erfuhren, dass der Stecknadelsamen recht gut angegossen werden sollte. Gerhard schaute in der Schachtel nach und nahm einige Kristalle davon heraus. Er spuckte auf diese Kristalle und schaute was damit passierte. Die Kristalle brausten auf und es bildeten sich eine rote Schaumwolke. Jeder der Kinder wollte nun einmal an dieser Schaumwolke riechen. Als Hans an der Reihe war, schlug Gerhard ihm diese Mischung in die Nase. Hans verspürte einen wahnsinnigen Schmerz in seiner Nase und lief laut schreiend nach Hause zu seinen Großeltern. Sein Gesicht sah rot wie von Blut aus, gerade so, als ob er einen schweren Unfall erlitten hätte. Unter Tränen und Schluchzen berichtete er von seinem Missgeschick. Seine Großmutter machte sich sofort auf den Weg, um dem Übeltäter eine gerechte Strafe zu erteilen. Auch machte sie die Drogerie Müller mit verantwortlich, da durch den Verkauf des Stecknadelsamens das Missgeschick ausgelöst sei. Herr Müller, der Drogist erklärte unter schmunzeln, dass es sich bei diesem Stecknadelsamen um Kaliumpermanganat handle. Es ist nicht gefährlich da man Kaliumpermanganat bei Schweißfuss einsetzen könne, um Linderung zu erhalten. Es helfe auch noch bei anderen Krankheiten, war sein Argument. Doch Hans Großmutter war nur schwer zu beruhigen. Einige Hustenbonbons und eine Entschuldigung vom Drogist Müller brachten ihre Fassung zurück. Die Eltern von Gerhard erteilten ihrem Sohn  vier Wochen Kinoverbot. Das war auch das mindeste was er dafür erhielt und war nur gerecht, glaubten Hans und seine Großmutter. Hans jedoch war, seit jenem Erlebnis etwas vorsichtiger, besonders wenn ihn größere Kinder einkaufen schicken wollten. Vor allen Dingen wollte er keinen Stecknadelsamen mehr kaufen.

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